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Luxus Milch

Futuristen glauben, zu einem guten Leben bräuchten sie alles Mögliche, was Anderen ein freies Leben unmöglich macht: Große Autos(tm), Fleisch(tm), Erfolg(tm), Supermärkte, Smartphones, Flugreisen, Golfplätze usw. Postfuturisten dagegen haben erkannt, dass Futuristen kein gutes Leben haben, obwohl sie alles dies besitzen(tm). Ich glaube, dass zu einem guten Leben ganz andere Dinge gehören. Milch zum Beispiel. Daher bezahle ich für einen Liter Milch auch 2,40€. Eine Reaktion auf „„Schlachtfreie“ Milchviehwirtschaft als Alternative zur traditionellen Milchviehwirtschaft“ – eine Projektarbeit von Valentin Claus.

Hallo Valentin,

auf Umwegen erreicht mich deine Projektarbeit. Ich will dir nach dem Überfliegen Feedback geben: Das Thema mit der Kuhhaltung und der Tiermordung (ich drücke es jetzt absichtlich ungeschönt aus, damit die unterschiedlichen Positionen auch klar voneinander zu trennen sind) bereitet mir schon länger Sorgen. Ich vertrete persönlich eine fast ausschließlich vegane Position. Wie du bereits schreibst, sind dir ja Menschen nicht unbekannt, die Milcherzeugung durch Tiere generell ablehnen, weil sie den Bedarf an Tiermilch neben der riesigen, hervorragend guten Auswahl an Pflanzenmilch, die es inzwischen zum Glück gibt, oder aus ähnlichen Gründen, nicht sehen. Nach einer simplen, möglichst naiven Betrachtung der Lage in der Kuhmilcherzeugung habe ich mir ähnliche Gedanken gemacht, wie du beschreibst, die dich dazu führen, dass du eine Kuhproduktion in dem bisher verbreiteten Muster (was auch für sogenannte „Biohöfe“ zwar nicht hochindustrialisiert aber im Kern identisch gilt) nicht mit deinem Gewissen vereinbaren kannst. Seinerzeit bin ich so dazu gekommen, dieses Konzept vollständig abzulehnen und auf vegane Alternativen, die zu trinken es damals noch einiger Überzeugung bedurfte, umzuschwenken. Womit ich seither aber gut leben kann. Dennoch will ich dich wissen lassen, dass mich der Mut, den du an den Tag legst, wenn du einen derart neuen Weg vorschlägst und wissenschaftlich zu untermauern anfängst, begeistert. Das hat etwas wahrlich visionäres und gleichzeitig scheinst du einer der Menschen zu sein, die eine neue Idee auch in die Praxis überführen und verbreiten können. Dazu muss man vor allem die Scheuklappen des Normalen abwerfen und mit klarem Blick hinter die Dinge schauen können und mutig genug sein zu hinterfragen, warum Dinge eigentlich so gemacht werden und ob es überhaupt stimmt, dass sie „alternativlos“ sind. Bravo!

Dazu kommt noch deine offene Abschätzung eines in diesem Sinne realistischen Kuhmilchpreis‘, der natürlich alle möchtegern Tier- und Umweltschützer zum Mosern bringen wird. Ich bestätige aber deine Einschätzung, dass ich Milch für ein Luxusgut und einen wesentlichen Bestandteil guten Lebens betrachte und dafür regelmäßig 2€ oder mehr pro Liter zahle, wenn die Milch dafür lecker und ohne Tiere in der Erzeugung und ohne Gift und ohne Gentechnik und ohne Regenwaldabholzung und ohne internationale Transporte und Ausbeutung von Bauern etc. ist. Und ja, wenn das teurer wäre, würde ich auch noch mehr dafür zahlen. Deinen Gedanke, dass (Schlachtfreie Kuh-) Milch dadurch so teuer wird, dass sie nur noch von finanziell wohlhabenden Menschen gekauft werden kann, will ich neben der Möglichkeit einer solidarischen Finanzierung, die du erwähnst, noch ergänzen darum, dass dieses Problem der Umschichtung unseres gesellschaftlichen, finanziellen Vermögens von „Fleissig“ auf „Reich“, (das durch die Verzinsung erreicht wird?!, siehe dazu Andreas Popp und seinen „Plan B„), ein generelles Problem unserer Gesellschaft ist und bereits heute an vielen Stellen dazu führt, dass Menschen mit geringem Einkommen schwer Zugang zu „hochqualitativen“ Produkten haben. Es handelt sich also bei diesem Problem nicht um ein spezifisches der Milcherzeugung, sondern um ein gesamtgesellschaftliches, dessen wir uns bewusst werden sollten. Mögliche generelle Lösungen wären: Zinsfreies Geld, eine wirksame Vermögenssteuer, Bedingungsloses Grundeinkommen (z.B. durch Besteuerung von Maschinenarbeit) und eine (mediale) Erziehung und daraus resultierende Selbstermächtigung unserer Bevölkerung, die sie wieder von blinden Konsumenten wegentwickelt und dorthin bringt, wo sie wissen, was sie wollen und das auch verlangen (den Erzeuger entsprechend für die Erzeugung von lebenswerten Produkten bezahlen).

Danke für deine Ausarbeitung.

Jens

Hallo Jens

[…] Gerne darfst du meine Arbeit auf deiner Homepage hochladen. Ich freue mich darüber wenn sie ins Gespräch und die Diskussion von weiteren Menschen kommt.

Frohe Grüße

Valentin“

Die Begriffe Auto(tm), Fleisch(tm), Erfolg(tm), Besitz(tm) sind geschützte Marken des Wahrheitsministeriums.

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2 Kommentare

  1. Felix Bachmann

    In aller Kürze:
    Ich finde es toll, Jens, wie sehr du ausschweifst, aber doch auf dem Punkt bleibst. (Von Kuhmilch zur Maschinenbesteuerung und so weiter…)
    Postfuturismus ist mir sympathisch und dass du ein Velonaut bist rundet die Sache auch irgendwie noch ab.

    Ich fahre noch/nur einen Drahtesel, aber auch fast immer – bei Wind und Wetter und fast jeder Witterung. Ausnahmen bilden starke Gewitter, da möchte ich auf meinem Stahlross nicht gegrillt werden. 😉

    Für mich sind noch viele Fragen offen. Aber so wie du denke ich, dass wir unseren Konsum und unsere Art, wie wir unsere Bedürfnisse befriedigen verändern müssen.

    Am schwersten fällt es mir aber immer noch mich selbst zu verändern – nachhaltig zu verändern.

    Lieber Jens, danke fürs bis hierher lesen. Setze gerne einen Punkt . oder eine kleine Antwort unter meinen Kommentar. Das freut mich 🙂

    Fahrradfreundliche Grüße
    Felix

    • Lieber Felix, ich heiße dich herzlich Willkommen auf Postfuturismus! Fühl dich frei, hier meine Gedanken zu erweitern oder zu korrigieren durch deine eigenen. Ich danke für das schöne Kompliment. Ich denke, mit deiner Selbsterkenntnis, dass dir das Schwerste am Ändern zu sein scheint, dich selbst zu verändern (nachhaltig), bist du hier richtig. Ich hoffe ich kann dazu beitragen, dir diesen Weg der Selbstveränderung etwas leichter zu gestalten. Meiner Erfahrung nach ist es nämlich seltsamerweise nicht nur das Schwerste, sondern auch das Leichteste, sich selbst zu verändern. Konzentration, Hingabe, Offenheit und Ehrlichkeit braucht es aber dennoch und oft auch Gefühle, die uns zunächst unwillkommen sind.
      Genug für jetzt, ein Teil meiner Erkenntnis auf diesem Weg ist, dass man ihn nicht geht, indem man sich belehren lässt (was ich hier grad grenzwertig schon tue), sondern indem man sich vorwärts erkundet. Ich lade dich demnach also dazu ein!

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