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Velomobil statt Outomobil

Dieser Artikel entstand als Reaktion auf eine Unterhaltung darüber, ob »Elektroautos« zu befürworten seien vor dem Hintergrund, dass zwar Verbrennungsmotoren als klimagiftig gelten, der Energie-, Ressourcen- und Platzverbrauch von Elektroautos aber nicht generell niedriger ist. Wichtig ist mir nicht der Vergleich der beiden Antriebsarten für dasselbe Fahrzeug. Es geht mir stattdessen um die Widerlegung der inflationär gebrauchten Schutzbehauptung »Es gibt keine Alternative zum Auto«, mit der sich im Rahmen der öffentlich geführten Klimadebatte neophobe (Angst vor Neuem) Menschen (siehe Fridays for Hubraum, Outoindustrie, Wähler verstaubter Parteien etc.) zu Millionen aus ihrer Verantwortung für die Erhaltung der freien Gesellschaft zu ziehen versuchen. Denn anstatt sich trotzig dagegen einzusetzen, dass sich irgend etwas ändert, wäre es zielführender die Einsicht zuzulassen, dass „Weitermachen wie gewohnt“ keine Option ist. Ob Elektro- oder Verbrennerantrieb macht aus technischer Sicht nicht einen solchen Unterschied, dass es sich lohnen würde, an dieser Frage seine Energie zu verschwenden. Denn warum sollte ein Auto mit einem anderen Motor weniger Energie verbrauchen, wenn ich es weder sparsamer mache, noch weniger damit fahre?

Daher…ohne genauer zu beleuchten, was die Aussage, es gäbe keine Alternative zum Auto, wohl bedeuten soll und – vor allem – warum sie getroffen wird:

Doch.

Und hier ist der Beweis:

Alleweder Velomobil
Mobil mit dem Velomobil

Mit diesem Velomobil lege ich seit fast vier Jahren den Großteil meiner Fahrten zurück und brauche seitdem nur noch in Ausnahmefällen ein Auto (leihen). Dabei ist es richtig, dass ein Velomobil ein Auto nicht in jeder Alltagssituation ersetzen kann. Ein Velomobil kann auch nicht vierzig Tonnen Lasten transportieren und ist schlecht als Feuerwehrauto oder Krankenwagen geeignet. Alles richtig. Trotzdem ist ein Velomobil eine Alternative zum Auto. Für mich und sicherlich für viele Andere in vielen Situationen. Und nur darauf kommt es an. Es ist nicht wichtig, alle Autos von der Welt zu verbannen. Sondern solch energie- und materialintensive Maschinen wie Autos nur dann zu benutzen, wenn es nötig ist.

Ich fahre ein Alleweder A6 (zahlreiche andere Modelle mit oder ohne Motor sind erhältlich), ausgestattet mit einem Pedelecmotor. Rechtlich gesehen ist es damit einem Fahrrad gleichzustellen. Ein Sitz, drei Räder, ein Dach, Pedale, Beleuchtung und ne Klingel. Rückspiegel, Innenraumbeleuchtung, Navi, Musik, Sitzheizung, Kofferraum, USB-Ladeanschluss, Alarmanlage. Was man halt so braucht. Der Akku wiegt im Gegensatz zu dem eines Elektroautos nur 5 kg und reicht trotzdem aus, um damit den ganzen Tag unterwegs zu sein: Mit der Energie, die in einer Tankfüllung Superbenzin enthalten ist, käme ich 30ooo Kilometer weit.

Mit diesem Teil fahre ich jeden Tag zur Arbeit. 6ooo km im Jahr. Die kurze Route mitten durch die Stadt im Berufsverkehr oder die weite Route, 20 Kilometer in einem weiten Bogen um die Stadt herum auf Waldwegen. Bei schönstem Wetter, bei Regen, Wind und Schnee um 7 Uhr morgens egal ob hell oder dunkel. Auch Bergauf und Gegenwind sind mit einem Pedelec kein Problem und da man sich abseits der verstauten Straßen bewegen kann, kommt man immer gut vorwärts. Obwohl die Fahrradinfrastruktur bei weitem nicht in dem Zustand ist, in dem man sich seine Wege als Fahrradfahrer wünscht, funktioniert es – und nicht nur das: Es macht riesig Spaß. Jeden Tag freue ich mich aufs Neue, wenn ich mit dem Velomobil irgendwo hinfahren kann. Meine Fahrten beschränken sich daher nicht auf die Pendelei zur Arbeit. Ich fahre mit dem Velomobil auch zum Sport, zum Spaß, zu Freunden, in die Stadt zum Ausgehen oder zum Einkaufen und in den Urlaub. Velomobilfahren ist die Freiheit, die einem die Autowerbung bis heute zu verkaufen versucht, die es in einem Auto aber niemals geben wird. Mit dem Auto steht man dort, wo man fahren will, und wenn man parken will, gibt es keinen Platz dazu. Mit dem Velomobil fahre ich dort, wo mir keine Autos im Weg stehen und finde einen Parkplatz immer direkt vor jeder Tür.

Alleweder A4 Velomobil mit je einem Kind auf dem Fahrersitz und auf dem Kindersitz im Heck
Alleweder A4 von Ernult

In der Praxis hat das Velomobil in meinem Alltag das Auto sofort überflüssig gemacht. Das Auto neben dem Velomobil steht ab Tag eins nur noch herum und frisst Geld. Damit ist nicht gemeint, dass ich nie wieder ein Auto gebraucht habe. Logischerweise kommt es vor, dass ich Beifahrer mitnehmen möchte (Velomobile sind bisher fast ausschließlich Einsitzer). Oder im Baumarkt Dinge einkaufe, die zu sperrig sind, um sie mit einem Velomobil sinnvoll transportieren zu können. Oder ich möchte schnell eine Strecke von mehreren hundert Kilometern überwinden. Für diese Mobilitätsbedürfnisse verwende ich selbstverständlich ein Auto. Aber nicht meins. Ich habe längst keins mehr. Viel zu teuer und viel zu viel Stress mit ewigen Wartungen und Reparaturen. Stattdessen nehme ich mir ein Car-Sharing- oder Leihauto. Vom Smart bis zum Lastwagen genau in der Größe, die ich brauche. Aber es ist im Gegensatz zu meiner Zeit vor dem Velomobil selten, dass ich eine Blechdose bewegen muss.

Quest Velomobil vor einem schönen Panorama am Rhein
Ein schönes Quest auf einer Fahrt am Rhein

Viele Menschen, denen ich unterwegs begegne, sprechen mich begeistert an. Auf das Raketenrad. Das Babyauto. Das Hochgeschwindigkeitsfahrrad, die Seifenkiste, die Banane. (Sammlung von Kommentaren zum Velomobil.) Jedes mal kommt auch die Frage „Was kostet so was?“ Die einfache Antwort: Ungefähr 10ooo€. Das wundert diese Menschen. Oder sie eröffnen mir, dass man sich für diesen Preis ja ein Auto kaufen könnte. – Die Idee hatte ich ja noch gar nicht! Mist, hätte ich das früher gewusst. Ja, hätte ich machen können, wollte ich aber nicht. Ich wollte ja eine Mobilitätslösung kaufen, kein Mobilitätsproblem. Außerdem weiß jeder, der schon mal selbst ein Auto halten musste, dass der Anschaffungspreis bei einem Auto nicht das ist, was den Braten fett macht. Sondern die ständigen Kosten für jedes Verschleißteil und dazu noch Sprit, Sprit, Sprit oder halt Strom in entsprechender Menge. Ein Velomobil-Pedelec braucht für 100 Kilometer so viel Energie, wie in 100 ml Benzin steckt. Mit der Energie, die ich brauche, um zur Arbeit zu fahren, kann ein Autobesitzer kaum aus seiner Garage rausfahren. Für die Kosten einer kleinen Autowartung kann ich mir die Ersatzteile für ein ganzes Jahr kaufen. Und wenn das Velomobil ungenutzt rumsteht: Keine Versicherung, keine Steuern und auch keine rostenden Teile, die ein Auto einfach von Monat zu Monat Wert verlieren lassen.

Über die Jahre gesehen lege ich mit dem Velomobil so viele Kilometer zurück, wie mit anderen Fahrzeugen zusammen. Das halte ich für eine ansehnliche Leistung im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit meines Lebensstils. Wenn das jeder so täte, wären wir in Sachen Zukunftsfähigkeit ein ganzes Stück weiter.

Warum fahre ich trotz meines Velomobils noch immer so viele Strecken nicht mit dem Velomobil? Die Antwort lautet: Pfadabhängigkeit. Bedrückend oft ist es so viel zielführender mit einem Auto zu fahren, weil die gesamte Infrastruktur und Lebensplanung unserer Gesellschaft nach Jahrzehnten der einseitigen Übervorteilung des Automobils eben darauf eingerichtet ist. Ewiggestrige argumentieren gerne gegen jede Form von Zukunftsfähigkeit damit, dass sie Verzicht unterstellen. Verzicht die heilige Kuh. Da kommt selbstverständlich zukunftsfähiges Verhalten nicht in Frage. Wo kämen wir da hin? – Eben. Wir müssen auf nichts verzichten, was wir brauchen – wenn wir es schaffen, auf das zu verzichten, womit wir sinnloserweise die Welt und die Gesellschaft zerstören. Wenn es mir also nötig scheint, irgendeinem meiner Mobilitätsbedürfnisse nachzukommen, indem ich ein Auto oder einen Zug dazu benutze, tue ich das. Ich würde das gerne vermeiden – sowohl aus ökologischen- wie auch Bequemlichkeitsgründen. Geht aber eben noch nicht immer und ist wie gesagt auch nicht nötig.

WAW Velomobil in schöner, weiß blauer Lackierung
Chkoppis WAW

Was jedenfalls nicht funktionieren wird, ist eine „Mobilitätswende“, die daraus besteht, die Autos, mit denen wir in Deutschland so herumfahren, anstelle eines Verbrennungsmotors mit einem Elektromotor (zusätzlich) auszustatten und weder unser Verhalten, noch unsere Erwartungshaltung an das Auto zu ändern. Was stattdessen hilft ist Einsehen, dass der Wille ein riesiges, glänzendes, sportliches oder elegantes Auto zu besitzen nichts damit zu tun hat, dass wir dieses Auto brauchen würden. Nur, wenn wir aufhören, die Welt zu vernichten für das, was wir vermeintlich wollen, können wir sicherstellen, dass wir Alle auch in Zukunft haben werden, was wir tatsächlich brauchen: Zum Beispiel eine individuelle Mobilitätslösung, die es uns erlaubt, jederzeit sicher und komfortabel von A nach B zu kommen. Und eben dazu ist in sehr vielen Fällen ein Velomobil genau das passende Fahrzeug.

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